Störungen der motorischen Entwicklung erkennen

1-6 Jahre

Wenn sich ein Kind auffällig unsicher bewegt oder ungeschickt mit den Händen ist, können Störungen der motorischen Entwicklung dahinterstecken.

Manche Kinder entwickeln ihre motorischen Fähigkeiten im Vergleich zu gleichaltrigen Spielkameraden deutlich langsamer und zeigen auffällige Schwächen in einzelnen Bewegungsabläufen. In anderen Bereichen zeigen diese Kinder dagegen eine ganz normale Entwicklung. Sie sind normal intelligent und weisen auch keine anderen Beeinträchtigungen auf, wie zum Beispiel Seh- oder Hörstörungen, körperliche Ausfälle oder andere Störungen der Gehirn- und Nervenfunktionen.

Andere Kinder entwickeln ihre motorischen Fähigkeiten eigentlich unauffällig, verhalten sich aber deutlich ungeschickt: Sie zeigen Probleme bei der Kontrolle ihres Gleichgewichts, stürzen und fallen oft und tun sich schwer beim Lernen komplizierter Bewegungsabläufe, wie zum Beispiel Dreirad-, Roller- und Fahrradfahren oder Schwimmen.

Mögliche Hinweise auf eine Störung im Bewegungsverhalten

Unsicherheiten im Bewegungsverhalten:

  • Das Kind lernt nur langsam gehen, laufen, hüpfen, Treppen steigen.
  • Es ist unsicher, ungeschickt im Gehen, Rennen, Klettern, Hüpfen, Balancieren.
  • Es stolpert oft, fällt häufig über Hindernisse. Solche Kinder werden „Kinder mit einer motorischen Ungeschicklichkeit“ genannt.

Ungeschicklichkeiten der Bewegungen der Hände, Finger und Arme:

  • Das Kind lässt häufig die Dinge fallen, die es in den Händen hält oder mit denen es etwas tun möchte.
  • Häufig hat es Schwierigkeiten, das Schleifenbinden zu lernen, etwas auf- und zuzuknöpfen oder einen Ball zu werfen und zu fangen.
  • Oft bereiten Malen und Zeichnen, Schneiden, Basteln und Kleben Probleme.
  • Das Kind tut sich schwer damit, Puzzles zu legen oder mit Konstruktionsspielzeug, beispielsweise mit Bausteinen, zu spielen.

Auffälligkeiten ernst nehmen

Störungen in der Entwicklung der Körper- und Handmotorik können die weitere Entwicklung des Kindes beträchtlich beeinflussen und mit Verhaltensproblemen einhergehen:

  • Wenn es Kindern mit solchen Störungen mit der Zeit nicht gelingt, ein normales Bewegungsverhalten zu entwickeln, besteht die Gefahr, dass sie ihr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl verlieren. In der Folge entwickeln solche Kinder häufiger Verhaltensprobleme, verhalten sich ängstlich, meiden Aktivitäten oder werden auffällig durch aggressives Verhalten.
  • Störungen in der motorischen Entwicklung können auch erste Hinweise auf spätere Lernstörungen in der Schule sein, insbesondere dann, wenn gleichzeitig die sprachliche Entwicklung beeinträchtigt ist. Ein frühzeitiges Erkennen und eine gezielte Förderung sind daher wichtig.

Abgrenzung gegenüber einer ADHS

Motorische Entwicklungsstörungen müssen von einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) abgegrenzt werden: Kinder mit Störungen in der motorischen Entwicklung ermüden schneller als Kinder ohne solche Schwächen, weil sie sich auf bestimmte, für sie schwierige Leistungen (zum Beispiel Puzzle legen, etwas ausschneiden) außerordentlich konzentrieren müssen. Solche Konzentrationsschwierigkeiten dürfen aber nicht einfach einer ADHS zugeordnet werden. Vielmehr erfordert die Abgrenzung gegenüber einer ADHS eine sorgfältige Beurteilung durch geschulte Fachkräfte.

Wann fachliche Abklärung erforderlich ist

Wann immer Sie sich Sorgen über die körperliche Entwicklung Ihres Kindes machen oder den Eindruck haben, es bewege sich sehr ungeschickt und unsicher, sollten Sie mit Ihrem Kinderarzt oder Ihrer Kinderärztin darüber sprechen. Auf jeden Fall sollten Sie sich an die kinderärztliche Praxis wenden:

  • Wenn Sie oder die Erzieherinnen und Erzieher in der Kindertagesstätte bei Ihrem Kind über längere Zeit beobachten, dass es sehr unsicher und ungeschickt in seinen Bewegungsabläufen beziehungsweise mit seinen Händen ist.
  • Wenn sich das Verhalten Ihres Kindes dahingehend verändert, dass es sich auffällig ängstlich oder aggressiv zeigt.

Die beiden letzten Früherkennungsuntersuchungen vor Schulbeginn (U8 und U9) legen ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Handmotorik. Deshalb sollten Sie auch diese Früherkennungsuntersuchungen mit Ihrem Kind wahrnehmen.

Wie Sie Ihr Kind gezielt unterstützen können

Nicht bei jedem Kind und in jedem Fall ist bei motorischen Auffälligkeiten eine spezielle Behandlung notwendig. Häufig können negative Folgen bereits verhindert werden, wenn das Kind in seinen vorhandenen Fähigkeiten bestärkt wird und die Alltagsbedingungen in der Familie es ihm ermöglichen, sich vielfältig zu bewegen. Auch die Teilnahme an Sport- oder Spielgruppen kann hilfreich sein.

Unabhängig von einer speziellen Behandlung können Sie Ihr Kind bei Auffälligkeiten in seiner motorischen Entwicklung gezielt und wirkungsvoll unterstützen:

  • Wenden Sie sich Ihrem Kind zu und zeigen Sie Verständnis für seine Probleme.
  • Konzentrieren Sie sich auf seine Fähigkeiten und Stärken. So bestärken Sie es in seinem Selbstwertgefühl und unterstützen sein Selbstbewusstsein.
  • Erleichtern Sie Ihrem Kind zum Beispiel das Anziehen durch entsprechende Kleidung (ohne kleine Knöpfe) wie Sweatshirt, Pulli und Schuhe mit Klettverschluss.
  • Wenn genug Zeit und Ruhe da ist, können Sie schwierigere Dinge wie Schlaufen, Knöpfe oder Reißverschlüsse auf- und zumachen ganz entspannt üben.
  • Geben Sie Ihrem Kind so oft wie möglich Gelegenheit, sich draußen und drinnen zu bewegen und vielfältige Bewegungserfahrungen zu machen – im Alltag, beim Spielen und durch sportliche Betätigung.
  • Lassen Sie es Bewegungen ausprobieren, dabei darf es ruhig auch mal hinfallen.