Bindung: Streben nach Sicherheit und Geborgenheit

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Kinder brauchen verlässliche und vertrauensvolle Beziehungen. Sie geben ihnen die Sicherheit, die sie brauchen, um neugierig ihre Welt erforschen zu können.

Kind bei Laufübungen zwischen den Eltern
© Getty Images

Ohne menschliche Nähe, Schutz und Zuwendung kann ein Baby nicht gedeihen, und um seiner natürlichen Neugier und seinem angeborenen Erkundungsdrang folgen zu können, braucht ein Kind den Schutz und die Sicherheit einer zuverlässigen Beziehung.

Vom Tag der Geburt an ist deshalb das Verhalten des Babys darauf ausgerichtet, mit den Menschen, die es umsorgen und seine Bedürfnisse nach Nähe und Geborgenheit erfüllen, eine gefühlsmäßige und dauerhafte Bindung einzugehen. In der Regel sind dies vorrangig Mutter und Vater. Aber auch weitere Personen, zum Beispiel Großeltern oder Tageseltern, können zu wichtigen Bezugspersonen werden, bei denen ein Kind Schutz und Geborgenheit sucht.

Bindungsverhalten und Qualität der Bindung

Von Natur aus ist ein Kind mit bestimmten Verhaltensweisen ausgestattet, durch die es die Nähe zu Mutter, Vater oder anderen Bezugspersonen sichern kann:

  • Weinen, Rufen, Anklammern, Nachfolgen oder Nähesuchen gehören zum typischen Bindungsverhalten. In bedrohlichen oder ihm unbekannten Situationen will Ihr Kind hierdurch die Nähe zu Ihnen herstellen.
  • Als Eltern verstehen Sie diese Signale Ihres Kindes meist und „beantworten“ sie richtig: Sie wenden sich Ihrem Kind zu, trösten es, nehmen es auf den Arm, beruhigen es.
  • Wie sicher sich ein Kind in der Bindung zu Mutter und Vater fühlt, hängt vor allem von den „Bindungserfahrungen“ ab: Je mehr Ihr Kind erfährt, dass es sich auf Ihre Nähe und Fürsorge verlassen kann, umso sicherer fühlt es sich in der Beziehung zu Ihnen. 
  • Wenn Sie es gleichzeitig zu seinen altersgemäßen Entdeckungen und Beschäftigungen ermutigen (aber nicht drängen), entwickelt es allmählich ein Gefühl von Selbstbestimmung und Tüchtigkeit.

Die Entwicklung der Bindungsbeziehung

Bindung entwickelt sich aus der wechselseitigen Beziehung zwischen dem Kind und seinen nahen Bezugspersonen. Nachfolgend finden Sie einige Anhaltspunkte, wie sich in den ersten Lebensjahren die Bindungsbeziehung entwickelt:

Erste Lebensmonate

  • Ihr Kind wird vertraut mit Ihnen als Vater und Mutter. Es lernt Sie als diejenigen kennen, die auf seine Signale reagieren und seine unterschiedlichen Bedürfnisse befriedigen. 
  • Sicherheit und Geborgenheit erfährt Ihr Kind in diesem Alter vor allem im engen Körperkontakt. An das Getrenntsein vom Körper der Mutter muss es sich erst allmählich gewöhnen.

Ab ca. 3 Monate

  • Ihr Kind kann Sie als seine Bezugspersonen von anderen Personen deutlich unterscheiden. Es wendet sich mit seinen Bedürfnissen gezielt an Sie. 
  • Es kann sich bereits deutlicher mitteilen. Für das Gefühl von Nähe ist es nicht mehr ausschließlich auf den engen Körperkontakt angewiesen.

Ab ca. 7–8 Monate

  • Die meisten Kinder beginnen nun mit ihren ersten Versuchen, sich selbstständig fortzubewegen. Die geistigen und emotionalen Fähigkeiten sind inzwischen so weit entwickelt, dass Ihr Kind stärker als zuvor die Trennung von Mutter oder Vater erlebt. 
  • Ihr Kind braucht die Rückversicherung durch Sie, wenn es sich von Ihnen entfernt, Neues ausprobiert und entdeckt. Sein ganzes Bindungsverhalten (Weinen, Anklammern) ist nun darauf ausgerichtet, die Nähe zu Ihnen oder einer anderen Bezugsperson sicherzustellen.
  • Die Beziehung zu Ihnen als Mutter und Vater entwickelt sich zunehmend zu einer fortdauernden gefühlsmäßigen Bindung, die sich in den Folgejahren weiter festigt.

Mit zunehmendem Alter ist das Kind schließlich nicht mehr ständig auf die Anwesenheit seiner Bezugspersonen angewiesen, um sich sicher zu fühlen. Das Kleinkind ist immer mehr in der Lage, selbstständig die Nähe vertrauter Personen aufzusuchen und sich auch wieder zu entfernen, wenn es auf „Entdeckung“ geht: Es hat seine „sichere Basis“ verinnerlicht und kann darauf zurückgreifen.

Auch Kinder mit einer Behinderung entwickeln eine solche enge Beziehung zu ihren Bezugspersonen und umgekehrt. Bei manchen Behinderungen, wie zum Beispiel Autismus, zeigt ein Kind jedoch kaum oder gar kein Bindungsverhalten. Für Eltern kann das sehr belastend sein und ihnen den Zugang und die Beziehung zu ihrem Kind erschweren.

So können Sie eine sichere Bindung fördern

  • Seien Sie aufmerksam gegenüber Ihrem Kind. Gehen Sie auf seine Fürsorge- und Bindungsbedürfnisse ein.
  • Reagieren Sie sofort und trösten Sie Ihr Kind geduldig, wenn es schreit.
  • Nehmen Sie sich genügend Zeit für Ihr Kind, vor allem bei der Pflege und beim Stillen oder Füttern. Nutzen Sie diese Gelegenheiten, mit Ihrem Kind zu sprechen, indem Sie ihm zum Beispiel erzählen, was Sie gerade tun.
  • Richten Sie sich nach Ihrem Kind, wann und wie viel Kontakt es mit Ihnen haben möchte: Nehmen Sie es auf, wenn es auf Ihren Arm möchte und mit Ihnen schmusen will. Setzen Sie es wieder ab, wenn es Ihnen zeigt, dass es genug hat.
  • Zeigen Sie Ihre Freude, wenn sich Ihr Kind offensichtlich für Sie oder die Dinge in seiner Umgebung interessiert, und unterstützen Sie seine Neugier.

Wenn die Beziehung zum Kind schwerfällt

Manche Mütter können kein Gefühl der Nähe für ihr Baby entwickeln und empfinden kaum Freude an ihrem Kind. Das Baby kann nur schwer zu ihnen durchdringen, seine Kontaktversuche werden kaum erwidert. Andererseits haben diese Mütter oft übertrieben Sorge und Angst, ihrem Baby könne etwas passieren. Zu Traurigsein, Selbstzweifeln und Hoffnungslosigkeit kommen oft noch Scham und das Gefühl, zu versagen und eine schlechte Mutter zu sein.

Solche oder ähnliche Empfindungen können Anzeichen einer sogenannten postpartalen Depression sein. Diese Erkrankung ist gut behandelbar und sollte möglichst rasch behandelt werden. Denn unbehandelt kann sie dauerhaft die Beziehung zwischen Mutter und Kind erschweren und dadurch die gesamte kindliche Entwicklung erheblich beeinträchtigen.

Wenn Sie sich oft niedergedrückt und in Ihrer Aufgabe als Mutter andauernd überfordert, sehr unsicher oder gestresst fühlen, sollten Sie unbedingt Hilfe suchen. Dies gilt auch, wenn Sie beispielsweise aufgrund von Behinderung oder Krankheit Ihres Kindes nur schwer Zugang zu ihm finden.

Fragen Sie Ihre Hebamme, Ihren Kinderarzt oder Ihre Kinderärztin nach Beratungsangeboten für Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern in Ihrer Nähe. Inzwischen gibt es in allen Gemeinden auch sogenannte Frühe Hilfen, die Eltern in der fürsorglichen Beziehung zu ihrem Kind unterstützen und begleiten. Dazu gehören auch Familienhebammen, die bei besonderen Belastungen Eltern bei der Pflege, Entwicklung und Förderung ihres Kindes im ersten Lebensjahr unterstützen können. Informationen erhalten Sie in der Regel beim örtlichen Jugend- bzw. Gesundheitsamt. (Stand: 18.6.2020)

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Was Eltern wissen wollen